VO04
12:00-13:00 Uhr
Traumata können nicht nur für die unmittelbar betroffenen Menschen langanhaltende und schmerzhafte Folgen haben, sie können sich auch noch auf die Kinder und Enkelkinder der Betroffenen auswirken. Dies hat möglicherweise epigenetische Ursachen, weil durch Traumata auf der genetischen Ebene bewirkt wird, dass die Reaktion auf Stressreize schneller und intensiver geschieht und traumatische Lebenserfahrungen nicht so leicht wieder vergessen werden. Auf der psychologischen Ebene können traumabetroffene Eltern unter Umständen mit weniger Geduld und Empathie auf die Bedürfnisse ihrer Kinder reagieren und sind schneller von diesen überfordert. So können zwischen Eltern und Kindern Traumabindungen entstehen. Sozialpsychologisch können Traumata bewirken, dass ganze Bevölkerungen oder Bevölkerungsgruppen wie in einem Schockzustand weiterleben (z.B. nach einem Krieg) und die Kommunikation über das, was geschehen ist, tabuisiert ist und durch Abwehrmechanismen blockiert wird. Es wird dadurch erschwert, die volle Wahrheit über das zu erfahren, was geschehen ist. Die nachfolgenden Generationen verlieren so den emotionalen Kontakt mit ihren Vorfahren oder identifizieren sich unbewusst mit deren Traumagefühlen oder Überlebensstrategien. Daher ist es mitunter die Aufgabe der nachgeborenen Generationen, durch therapeutische Arbeit an sich selbst, den kollektiven Heilungsprozess zu befördern.